Die Initiative zur Entwicklung einer umfassenden Start-up-Strategie der Bundesregierung begrüßen wir sehr. Bereits der Koalitionsvertrag fokussiert auf verschiedene Maßnahmen zur Förderung von Gründerinnen – und zwar aus gutem Grund. So erhöhte sich der Anteil der Gründerinnen in der Start-up-Szene in den vergangenen Jahren nur leicht auf nunmehr 17,7 %. Damit geht dem Innovationsstandort Deutschland beträchtliches Potenzial verloren, das es zu erschließen gilt.
Zugleich haben in den vergangenen Jahren auch die Hochschulen unter dem Stichwort „Transfer“ begonnen, wissenschaftsbasierte Gründungsinitiativen gezielt zu fördern. Auch hier liegt der Frauenanteil bislang nur auf niedrigem Niveau von 21 %. Die Gründe sind vielfältig. Zwar ist der Anteil von Frauen und Männern auf der Ebene des Studiums über alle Fachgruppen hinweg nahezu ausgeglichen, jedoch sinken die Frauenanteile in der Folge im akademischen Karriereverlauf je nach Fachgruppe deutlich ab. Eine ausgezeichnete Arbeitsmarktlage für Absolventinnen und Wissenschaftlerinnen aus den MINT-Bereichen lässt die Gründung eines Start-ups oder Unternehmens mitunter wenig attraktiv erscheinen.
Die Konzentration auf Gründungsaktivitäten in den MINT-Bereichen hat zugleich die Innovationspotentiale und Ideen von Absolventinnen und Wissenschaftlerinnen aus den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen sowie weniger technologiebasierte Gründungen in den Hintergrund treten lassen. Indes ließen sich aus unserer Sicht die Ziele für nachhaltige Entwicklung jedoch gerade in inter- und transdisziplinär ausgerichteten Gründungsvorhaben besser adressieren und innovative Lösungen entwickeln.
Gründerinnen und gründungsinteressierte Frauen gezielt fördern
Um Ausgründungen aus der Wissenschaft voranzutreiben und zugleich die Frauenanteile unter den Gründer*innen anzuheben, empfehlen wir nachdrücklich, Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an den Hochschulen durch Programme gezielter zu fördern. Ziel sollte es aber nicht sein, einen Parallelkosmos frauenbezogener Gründungsförderung zu etablieren, sondern das Motto sollte vielmehr lauten: Fix the system, not the women!
Um mehr Frauen auf die Karrierechance „Gründung“ hinzuweisen und zu motivieren, ein Start-up oder ein eigenes Unternehmen aufzubauen, sind aus unserer Sicht folgende Rahmenbedingungen essentiell:
- Gender Mainstreaming in der Gründungsförderung
Um eine angemessene Infrastruktur zur Förderung von Gründerinnen an Hochschulen aufzubauen, bedarf es zunächst der Einrichtung von einschlägigen Förderlinien. Im Sinne des Gender Mainstreamings sollten die zu entwickelnden Programme dabei grundsätzlich als zielgruppenspezifische Erweiterung der jeweiligen Gründungsberatungen, Gründungszentren und Makerspaces an Hochschulen konzipiert sein. So ist einerseits die kontinuierliche Sichtbarkeit der Programme und notwendige Anbindung an das lokale und regionale Ökosystem gewährleistet. Andererseits ist auf diese Weise auch eine Erhöhung der Genderkompetenz in den jeweiligen Einrichtungen zu erreichen. - Hand‘s on: Unternehmerische Kompetenzen fördern
Angebote für Studentinnen an Hochschulen sollten einen tieferen Einblick in die verschiedenen Phasen des Gründungsprozesses und damit die Chance zur echten beruflichen Orientierung bieten. Einen Schlüssel bilden dafür curricular verankerte Formate, die bereits in der Bachelor-Phase des Studiums über Gründung als Karrierechance informieren und die Basis für die Entwicklung eines
unternehmerischen Mindsets schaffen, das in vertiefenden Veranstaltungen wie Summerschools, Inkubatoren und Acceleratorprogrammen ausgebaut werden kann. Die Schaffung solcher Angebote setzt jedoch auch die Existenz von entsprechenden Förderlinien voraus, die bislang weder im Bund noch in den Ländern in ausreichendem Maß bestehen.
- Abbau von Rollenstereotypen im Gründungskontext
Insbesondere in der Start-up-Szene dominiert weiterhin das Bild des männlichen „Machers“ und Gründungsvorhaben von Frauen werden tendenziell abgewertet bzw. ihnen schlicht das Marktpotential abgesprochen. Ein Bottle Neck für Gründerinnen stellen – dies betonen Gründerinnen immer wieder – auch die Gründungsberatungen dar. Beraterinnen sind sich dabei häufig gar nicht über einen Gender Bias bewusst, sondern sehen sich in einer neutralen Rolle. Um die Reflexion anzuregen und die Genderkompetenz der Gründungsberaterinnen zu erhöhen, empfehlen wir dringend die Einrichtung von entsprechenden Trainingsangeboten, die wissenschaftlich begleitet sein sollten. Gleichzeitig müssen auch bei den Gründerinnen selbst Stereotype und Vorurteile abgebaut und überwunden werden, die oft aus dem spezifischen Habitus des Start-up-Sektors resultieren, um sie so gezielt für Angebote der Start-up-Gründungsförderung zu begeistern. Hierfür ist auch der Kontakt zu erreichbaren Vorbildern – gerade auch aus der Wissenschaft – essentiell.
- It’s all about money!
Die Finanzierung gilt als eine der größten Hürden für Frauen in der Start-up-Szene. Dabei gilt es, den Investitionsprozess zu entmystifizieren (Svenja Lassen). Die im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen begrüßen wir daher ausdrücklich. In der Einführung von Geschlechterquoten (unter Berücksichtigung von intersektionalen Aspekten) für Jurys sehen wir als notwendiges Instrument, um den Wandel zu mehr Chancengleichheit zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten die impliziten Regeln des Pitches im Finanzierungsprozess (wissenschaftlich) reflektiert und Empfehlungen zur transparenteren Ausgestaltung erarbeitet werden, denn hier wirken sich die Mechanismen von Inklusion und Exklusion besonders stark auf die Chancen von Gründerinnen aus. Die Umsetzung von Diversität sollte als hartes Kriterium in Förderanträgen bzw. KPIs gelten. Und schließlich: Wir benötigen die Anerkennung diverser Geschäftsmodelle, um echte Chancengleichheit in der Start-up-Szene zu gewährleisten.
- Plattformen für Gründerinnen jenseits der Hochschulen
Die Zahl der Förderinitiativen und Netzwerke für Gründerinnen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Dies ist wichtig, um das Bewusstsein für Chancenungleichheiten im Feld zu erhöhen. In einzelnen Bundesländern bestehen bereits Plattformen für Gründerinnen, darunter etwa Start-up BW Women. Dies eröffnet im Idealfall auch jenseits der Hochschulen die Anbindung von Gründerinnen an Netzwerke von Beratenden, Gründerinnen, Mentorinnen und Investor*innen.
In großen Flächenländern sollten diese Plattform stärker regional ausdifferenziert sein, um so auch die notwendigen Anschlüsse an die jeweiligen Ökosysteme zu gewährleisten. Ein Vorbild dafür bilden beispielsweise die Digital Hubs in NRW.
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